Die Anwaltskanzleien Schirp & Partner sowie Rechtsanwalt Dr. Marc Liebscher von der Kanzlei Dr. Späth & Partner aus Berlin haben erste Klagen gegen EY (Ernst & Young) eingereicht. Weitere Klagen sind in Vorbereitung. Ziel der Klagen ist, dass EY die Wirecard-Investoren (Aktien, Anleihen, Derivate) für ihre Verluste entschädigen soll. Denn EY war in den vergangenen Jahren stets Jahresabschlussprüfer von Wirecard und hat die Jahresabschlüsse bis einschließlich 2018 ohne Beanstandungen testiert. Erst jetzt, im Juni 2020, ist das Testat für den Jahresabschluss 2019 verweigert worden.
Dr. Wolfgang Schirp, Berlin: „Wir sind die Ersten, die EY gerichtlich zur Verantwortung ziehen. Unsere Klage stützt sich insbesondere darauf, dass EY angebliche Eigenmittel von Wirecard in Höhe von bis zu 1,9 Mrd. EURO in den vergangenen Jahren beanstandungsfrei testiert hat, obwohl dafür keine ausreichenden Nachweise vorlagen. Dieses Vorgehen ist sehr eigenartig und entspricht nach unserer Analyse nicht dem pflichtgemäßen Vorgehen eines Wirtschaftsprüfers. Nachdem wir unlängst bereits Urteile gegen eine unzureichend arbeitende Rating-Agentur erwirken konnten (gegen Scope bezüglich der MS „Deutschland“-Anleihe), wollen wir nun auch die Haftung von Jahresabschlussprüfern wie EY energisch einfordern. Wir wollen nicht zulassen, dass die Hilfspersonen, die mit ihrem Ansehen und ihrem guten Namen die Schädigung von Anlegern erst ermöglicht haben, ohne Konsequenzen davonkommen“.
Dr. Marc Liebscher, Berlin: „Kann man für Wirecard aus heutiger Sicht überhaupt die Prognose stellen, dass die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist? Dies ist jedenfalls mit Zweifeln behaftet. Denn zum einen sollen laut Marktberichten heute rd. 2 Mrd. EUR an Fremdkapital fällig gestellt werden können, da die 2019er Bilanz fehlt. Zum anderen werden Großkunden von Wirecard überlegen müssen, ob sie ihre Vertragsbeziehungen nicht aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen: Denn Wirecard, ihr Vertragspartner für Zahlungsdienste, hat nach eigenen Angaben 1,9 Mrd. EUR „verloren“ – das ist ein starkes Stück. Wer daher Schadensersatz durchsetzen will, sollte sich also nicht gegen Wirecard wenden, sondern gegen potente Dritte. Das ist der Grund, warum wir gegen EY vorgehen, und mittelbar auch gegen deren Haftpflichtversicherung. Das ist derzeit der einzige aussichtsreiche Handlungsweg. Auch viele institutionelle Investoren werden diesen Weg noch beschreiten.“